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27.08.2003 21:44:34
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WWII; Спецслужбы;
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Thomas Chorherr, geboren 1932 ...
[ 2001-09-30,Wien,REPORTAGE ]
Thomas Chorherr, geboren 1932 in Wien, Chefredakteur und späterer Herausgeber der "Presse", hat unter dem Titel "Wir Täterkinder" ein Buch geschrieben, das im "Molden Verlag" gerade erschienen ist. Er schildert darin die Empfindungen und Erlebnisse der so genannten "Weißen Jahrgänge", zu jung für die Deutsche Wehrmacht und zu alt für das neu erstandene österreichische Bundesheer. Im Folgenden zitieren wir aus dem Werk die Zeit der "Befreiung", Begegnungen mit sowjetischen Soldaten der Besatzung, die Chorherr eher zurückhaltend, aber gerade deshalb menschlich sehr eindringlich schildert: Zum Glück sind wir jetzt frei. Wir sind befreit. Dass die Freiheit teuer erkauft worden ist, wissen wir. Nicht nur die Kämpfe um Wien sind gemeint, auch nicht all die Gräuel, die sich in den letzten Kriegstagen hier abgespielt haben. Ich habe es nicht erlebt, ich war in Mauterndorf, aber ich habe später die Fotos von den erhängten Offizieren gesehen, die man am Floridsdorfer Spitz an Laternenpfählen aufknüpfte, weil sie, wie auf einem Schild geschrieben stand, das sie um den Hals trugen, "mit den Bolschewisten paktiert" hatten. Mit den Bolschewisten? Damit waren wohl die Russen gemeint, der Ausdruck "Bolschewisten" fiel im großdeutschen Rundfunk immer wieder, wenn der Sprecher meldete, dass in den von den Deutschen geräumten Dörfern und Marktflecken des Reichsgebiets, in das die Sowjets nun längst eingedrungen waren, Massenvergewaltigungen vorgekommen seien. Selbst in jenen Tagen und Wochen erzählte man einen Witz, freilich einen mehr als makaberen. Genau erinnere ich mich an ihn: Eine Frau erklärt, sie werde in den letzten Kriegstagen nicht in den Keller gehen, sondern auf die Straße laufen. Warum? wird sie gefragt. "Ich habe lieber einen Russen auf mir liegen als ein ganzes Haus", gibt sie zur Antwort. Ich verstehe den Witz nicht, kann mir aber vorstellen, worum es geht. So sind sie eben die Bolschewisten!
Sind sie so? Wieder ist da die Frage der Angst. Mein Erlebnis mit den zwei betrunkenen Sowjetsoldaten ist für mich ein Einzelfall. Die Politisierung der Schuljugend richtet sich auch nicht gegen die russischen Besatzer. Irgendwie fürchten wir uns, auch wenn wir in anderen Sektoren leben, dabei hat sich noch gar nicht ereignet, was im Juni 1947 nicht nur die Wiener Schüler aufregen, sondern für höchste Erregung in ganz Österreich sorgen wird. Ein sechzehnjähriger Realschüler wird vor dem Tor seiner Schule von Russen entführt. Das Ereignis war in solcher Weise elementar, dass ich es immer wieder als Beispiel für die Repressionen und die Gefahr anführe, die wir, vielleicht sogar unbewusst ertragen mussten. Ich will es auch hier wieder schildern; der Bericht, den eine Wiener Zeitung damals schrieb, und den ich oft zitiert habe, steht für sich selbst:
"Gestern um 7.30 Uhr wartet der sechzehnjährige Realschüler Johann Schloßnickel aus Favoriten an der Wand der Realschule in der Waltergasse auf die Öffnung des Tores. Außer ihm war noch ein ebenfalls verfrüht erschienener Mittelschüler anwesend. Plötzlich fuhr ein von einem Zivilisten gelenktes Personenauto, Type BMW, mit der Kennzeichennummer E 21460 vor. Zwei Uniformierte sprangen heraus, gingen auf den ahnungslosen Schloßnickel zu und zerrten ihn gewaltsam in den Wagen. Als Schloßnickel sich wehrte und um Hilfe rief, zogen die Uniformierten die Pistolen und bedrohten damit die Schüler und die sich ansammelnden Passanten. Anfangs versagte der Starter, sodass die Szene kurze Zeit andauerte, während der Junge um Hilfe schrie. Dann fuhr das Auto in der Richtung gegen die Innere Stadt davon. Bei der Balgerei mit den Uniformierten verlor Schloßnickel seine Schultasche und einer der Uniformierten seine Kappe."
Ein Bub, nur wenig älter als ich. Ein Menschenraub, wie er damals immer wieder passierte. Noch im Jahre 1948, also drei Jahre nach Kriegsende, wurden in Wien 268 Menschen verschleppt. Wie viele zurückkehrten, weiß man nicht. Auch die Identität mancher dieser Entführungsopfer war nicht bekannt.
Die Entführung eines Schulbuben
In der Tat, Menschenraub war alltäglich in dieser Zeit. Aber dieser hier war deshalb keiner der alltäglichen, weil sein Opfer ein Schulbub war. Was er verbrochen hatte, wussten wir lange Zeit nicht. Erst Wochen später erzählte man es uns. Die Waltergasse liegt im vierten Bezirk, dieser in der russischen Zone, und Schloßnickel, der ein begabter Zeichner war, hatte es angeblich gewagt, eine Karikatur Molotows an die Tafel zu malen. Die genügte, um ihn zuerst in die sowjetische Kommandatur an der Bellarie, dann in eine der berüchtigten Gefängniszellen der Russen in Baden und schließlich in einen "Gulag" nach Sibirien zu bringen. Wie gesagt: ein Bub!
Im Sommer 1955 kehrte er mit dem letzten Heimkehrertransport zurück. Es war dies einer der wenigen Momente, in dem ich, damals schon Reporter der "Presse", Tränen in den Augen hatte. Aus dem Zugfenster lehnte sich ein hagerer junger Mann mit Pelzmütze und russischem Wintermantel, und auf dem Perron stand der Direktor seiner Schule mit einer Gruppe ehemaliger Klassenkameraden. Noch bevor Johann Schloßnickel aussteigen konnte, überreichte ihm der Schuldirektor ein Dokument. Es war sein Maturazeugnis. Wenn jemand, sagte er, solches mitgemacht habe, habe ihn das Leben für reif erklärt.
Wir aber schreiben den Winter 1945/46. Wir erzählen nichts von Vergewaltgungen, weil wir noch zu jung sind, solche Berichte weiterzugeben. Wir lachen lieber. Wir lachen über die vielen "Unbekannten", die auf einmal die Stadt bevölkern, soll heißen: sie unsicher machen. "Unbekannte" - das sind russische Soldaten, die sich als Wegelagerer betätigen, aber obgleich uniformiert - siehe den Zeitungsbericht über Schloßnickel - nicht als Russen bezeichnet werden dürfen, am wenigsten in den Medien. Sie morden nicht mehr, besser: nicht mehr so oft. Eine furchtbare Bluttat ereignet sich in einem kleinen Ort im Westen Niederösterreichs. Ein Gehöft wird überfallen, alle Bewohner - der Bauer, die Bäuerin, die Kinder, Knechte und Mägde - werden niedergemetzelt. Jeder weiß: Die Täter sind Russen. Aber es darf nicht gesagt werden.
Noch einmal: Winter 1945. Die erste Friedensweihnacht nach sechs Kriegsweihnachten. Christbäume sind Mangelware, wer einen ergattert, schätzt sich glücklich. Für uns sind es die ersten Weihnachten ohne unseren Vater. Irgendwie hat meine Mutter ein paar Geschenke zusammengetragen, Socken, Handschuhe, einen Schal. Ich äußere den Wunsch, der erst in drei Jahren (oder waren es zwei?) in Erfüllung gehen wird: Ich möchte, sagte ich, einmal so viel Schnitzel essen dürfen, bis ich nicht mehr kann.
Weihnachten 1945. Die Rede des Bundeskanzlers. Er habe, sagte er, keine Kohle zum Heizen und kein Glas zum Einschneiden. Und dann kam der Satz, den ich bereits geschrieben habe: "Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!"
"Urra, Urra...!"Das war ein Ruf, den man Tag und Nacht auf der Straße hörte. Die Soldaten der Roten Armee gaben zwar vor, als Befreier nach Österreich gekommen zu sein, aber ihr "Uhrensammeln" hatte mit Freiheit wohl nichts zu tun. Dabei war ihr Drang nach Uhren noch harmlos gegen die übrigen Räubereien, Massenvergewaltigungen und Raubzüge. So wie die entfesselten Soldaten handelte auch die sowjetische Regierung gegenüber Österreich.